Demokratie auf der Tribüne: Wie Stadien zu Lernorten werden
Im Interview mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) zeigen Ina-Marie Bargmann und Simon Walter von Lernort Stadion e.V., wie Fußballstadien zu lebendigen Lernorten für Demokratie werden. Sie berichten, wie Fairness, Vielfalt und Mitbestimmung dort erlebbar gemacht werden – mit Workshops, Stadtspaziergängen und Festivals für Jugendliche. Ihr Ansatz: Emotionen und Gemeinschaft im Stadion nutzen, um politische Bildung lebensnah und wirksam zu gestalten.
Was hat eigentlich Sport mit Demokratie zu tun? Und wieso kann Demokratiebildung an einem Lernort wie einem Stadion gut funktionieren?
Simon: Der Sport ist auf viele Arten und Weisen ein Spiegelbild unserer Gesellschaft – mit all ihren Herausforderungen und Chancen. Besonders stark wird das deutlich, wenn man den aktiven Sport mit den Sportbegeisterten und Fans zusammendenkt. Im Stadion treffen Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen aufeinander. Genau dort lässt sich zeigen, wie Fairness, Respekt und Mitbestimmung praktisch gelebt werden können.
Ina: Das Stadion ist ein Ort voller Emotionen und Gemeinschaft. Wenn wir Jugendliche dort abholen, wo ihr Herz schlägt, können wir über Fußball ins Gespräch kommen – außerdem über Vielfalt, Ausgrenzung oder Mitbestimmung. Das macht greifbar und lebensnah. So etwas funktioniert nicht nur mit Fans, weil Stadien wichtige Orte des gesellschaftlichen Zusammenlebens sind. Der Ort und seine Funktion entfalten eine Wirkung und Faszination.
Könnt ihr einen Einblick in ein konkretes Projekt aus der Praxis geben?
Ina: An aktuell 29 Standorten bieten unsere Lernzentren ein- und mehrtägige Workshops für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren an. Dabei ist uns besonders wichtig, mit unseren Angeboten auch Jugendliche aus Haupt- und Förderschulen zu erreichen. Im Mittelpunkt dabei stehen Fragen zu Demokratie, Vielfalt und gesellschaftlichem Miteinander – ergänzt durch Inhalte wie Nachhaltigkeit und Teambuilding. Die Programme sind lebensweltorientiert und arbeiten mit einem vielfältigen Methodenmix aus Bewegung, Gruppenarbeit, Diskussion und kreativen Zugängen.
Simon: Als Dachverband realisieren wir immer wieder Sonderprojekte. Zur EURO 2024 haben wir beispielsweise drei große Projekte umgesetzt: Im Rahmen von „#TeamEuropa“ gestalteten wir in allen EM-Städten kunstpädagogische Workshops zu europäischen Werten mit Jugendlichen– jeweils mit öffentlichen Abendveranstaltungen. Den Abschluss bildete ein großes Jugendfestival mit der Ausstellung „Wünsche an Europa“ in Berlin. Mit „Europa ist ja hier!“ entwickelten wir in vier Fußballstädten interaktive Stadtspaziergänge mit Schulklassen, die Europa im lokalen Alltag sichtbar machen. Und bei „Stadion Europa“ wurden vier Stadionfestivals rund um die Themen Europa, Fußball und Zusammenhalt organisiert, an denen mehr als 1500 Jugendliche teilnahmen. Parallel dazu lief ein Fachkräfteaustausch mit Kolleg:innen aus sieben Ländern – ein echter europäischer Brückenschlag in Zeiten, in denen Demokratien unter Druck stehen.
Welche Tipps habt ihr für Demokratiebildner:innen, um die Themen Sport und Demokratiebildung zu verknüpfen?
Ina: Nutzt die emotionale Kraft des Sports – sprecht über Gerechtigkeit, Zugehörigkeit und Teamgeist, aber auch über Konflikte und Regeln. Lasst Jugendliche dabei aktiv mitgestalten und ihre Lebensrealität als aktive Sporttreibende, sowie als Fans einbringen. Gemeinsame Themen wie eben „Fan-Sein“ können den Beziehungsaufbau mit der Zielgruppe enorm erleichtern.
Simon: Und: Sucht euch Verbündete im Sportverein, im Fanprojekt oder beim lokalen Club. gelingt am besten im Zusammenspiel – mit Menschen, die den Ort kennen und mitgestalten wollen. Zudem bietet es sich an, non-formale Methodiken noch „sportlicher“ zu denken, also sich aus dem Fußballtraining oder anderen Sporttrainings zu bedienen, um bewegungsorientierte Bildungsangebote zu schaffen.
Wie ist es zu einer Zusammenarbeit zwischen der DKJS und Lernort Stadion (im Bereich der Demokratiebildung) gekommen?
Ina: Die Zusammenarbeit entstand aus einem fachlichen Austausch zur Qualität politischer Bildung – konkret über das Reflexionstool der DKJS. Der Dialog darüber hat unsere Perspektiven geschärft: Was braucht es, um junge Menschen wirklich zu erreichen? Daraus ist ein wertvoller Impuls entstanden, der unsere Arbeit bereichert.
Simon: Gerade weil wir in teils sehr unterschiedlichen Kontexten arbeiten, ist der Austausch mit der DKJS so wertvoll – nicht abstrakt, sondern praxisnah und wirkungsorientiert. Solche Begegnungen stärken die Qualität im Feld und schaffen neue Impulse, die über den Moment hinauswirken können.
Vielen Dank für das Gespräch!
Mehr Informationen zu Lernort Stadio findet ihr hier: Startseite - Lernort Stadionhttps://www.lernort-stadion.de/