Der Krieg in der Ukraine, Verschwörungstheorien rund um Corona, populistische Strömungen im In- und Ausland: Die Demokratie wird im Moment von vielen Seiten angezweifelt. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung unterstützte mit dem Kompetenznetzwerk „ im Jugendalter“ Akteur:innen, die dafür sorgen, dass junge Menschen unser politisches System von klein auf zu schätzen lernen und mitgestalten. In diesem Rahmen entstand die Multimedia-Reportage "Wir müssen Demokratie vorleben: Gesichter der Demokratiebildung"*, in der fünf Vorbilder ihre sehr unterschiedlichen Ansätze vorstellen und erzählen, was sie antreibt.
Wie stärkt SABINE KNABE die Demokratie?
Junge Menschen können in Deutschland frühestens ab 16 Jahren an Wahlen teilnehmen? Nicht ganz.
Bei den Wahlen der Klassensprecher:innen lernen sie schon viel früher, was es bedeutet, ihre Stimme abzugeben und welche Verantwortung damit einhergeht. Die Schulsozialarbeiterin Sabine Knabe unterstützt Schüler:innen an einem Dessauer Gymnasium bei ihren ersten Schritten in einem repräsentativen Demokratiesystem. Sie hofft, ihnen wichtige Werte mit auf den Weg zu geben.
IHRE GESCHICHTE
„Als ich 2018 am Philantropium anfing, wurde mir von der Schulleitung die Aufgabe übertragen, den Schüler:innen-Rat zu betreuen und die Schulsprecher:innen-Wahl zu organisieren. Zusätzlich zu den gewöhnlichen Aufgaben einer Schulsozialarbeiterin. Mir wurde mitgeteilt, wann die erste Versammlung stattfindet und dann hieß es ganz einfach: Machen Sie mal, Sie kriegen das schon hin. Im Nachhinein ein großer Glücksfall! Ich bin Stück für Stück in meine Rolle als Unterstützerin hineingewachsen. Es bringt mir heute unheimlich viel Spaß, mich alle zwei Monate mit den Sprecher:innen der rund 35 Klassen unserer Schule auszutauschen und zu erfahren, welche Themen sie beschäftigen.“
„Ein Teil meiner Aufgabe ist es, die Treffen zu organisieren, also den Termin und den Ablauf festzulegen. Darüber hinaus mache ich gewissermaßen demokratische Basisarbeit. Schüler:innen, die zum ersten Mal gewählt worden sind, erkläre ich zunächst einmal, was ihre Rechte und Aufgaben sind. Dass sie ansprechbar sein müssen für ihre Klasse und sie bestmöglich in den Sitzungen vertreten sollten.
"Ich sehe meine Aufgabe darin, die Jugendlichen zu ermutigen, das Schulleben aktiv mitzugestalten und zu verbessern. Sie sollen lernen, Dinge, mit denen sie unzufrieden sind, nicht einfach hinzunehmen oder zu meckern."
Es geht um konstruktives Denken. Ich möchte ihnen das Gefühl vermitteln, Teil eines Miteinanders zu sein, in dem es auch auf sie ankommt. Ich unterstütze sie, Ideen zu entwickeln und umzusetzen, die ihren Schulalltag angenehmer machen. Eine Fähigkeit, die hoffentlich dazu führt, dass sie im größeren Maßstab dazu beitragen, unsere Gesellschaft zu stärken.“
„Im vergangenen Jahr haben die Klassensprecher:innen zusammen eine Menge toller Projekte auf die Beine gestellt. Sie setzten zum Beispiel durch, dass zwei Mal die Woche in der Frühstückspause eine Playlist abgespielt wird, die aus Musikwünschen von Schüler:innen besteht. Sie entwickelten Pläne, wie der Schulhof lebensfreundlicher gestaltet werden kann. Und sie trugen entscheidend dazu bei, dass unsere Schule im Juni beim Pride Month mitmachte: Um ein Zeichen für sexuelle Vielfalt zu setzen, hissten wir eine Regenbogenfahne. Und um aufzuklären und eventuell auch bei einem Coming-Out zu unterstützen, organisierten wir einen Workshop und statteten unsere Schulbibliothek mit Fachbüchern aus.“
„Natürlich klappt nicht immer alles. Es kommt immer wieder vor, dass Vorhaben scheitern oder gar nicht zustande kommen. So etwas frustriert mich gelegentlich. So lange die Schüler:innen beim nächsten trotzdem wieder dabei sind, kann ich jedoch letztlich sehr gut damit umgehen. Denn es zeigt, dass sie etwas verinnerlicht haben, was in einer Demokratie essentiell ist: Dass das persönliche Scheitern dazu gehört. Es gelingt nun mal nicht immer, die eigenen Ziele umzusetzen, sei es wegen fehlender Mehrheiten oder bürokratischer Hürden. Wenn die Jugendlichen diese Grenzen akzeptieren und sich weiter engagieren, ist viel erreicht.“
*Die Multimedia-Reportage wurde 2022 veröffentlicht, bleibt aber in ihren Ansätzen und Botschaften auch knapp drei Jahre später noch aktuell.