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Beutelsbacher Konsens

Der ist die Nachlese zu einem Expertengespräch von Hans-Georg Wehling. Er hat diesen für eine Tagung von Expert:innen der Politischen Bildung im Herbst 1976 im schwäbischen Beutelsbach erstellt – daher der Name „Beutelsbacher Konsens“. Der Text ist Teil eines Aufsatzes und enthält die das Überwältigungsverbot, das Kontroversitätsgebot und das Prinzip der Adressat:innenorientierung. Sie sind zu prägenden Grundsätzen politischer Bildung in Deutschland geworden. Der Beutelsbacher Konsens ist hier in der Originalfassung zitiert.

Überwältigungsverbot: Es ist nicht erlaubt, den Schüler  – mit welchen Mitteln auch immer  – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der „Gewinnung eines selbständigen Urteils“ zu hindern. Hier genau verläuft nämlich die Grenze zwischen Politischer Bildung und Indoktrination. Indoktrination aber ist unvereinbar mit der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesellschaft und der  – rundum akzeptierten  – Zielvorstellung von der Mündigkeit des Schülers.

[Kontroversitätsgebot] Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Diese Forderung ist mit der vorgenannten aufs engste verknüpft, denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten. Zu fragen ist, ob der Lehrer nicht sogar eine Korrekturfunktion haben sollte, d. h. ob er nicht solche Standpunkte und Alternativen besonders herausarbeiten muss, die den Schülern (und anderen Teilnehmern politischer Bildungsveranstaltungen) von ihrer jeweiligen politischen und sozialen Herkunft her fremd sind.

[Adressat:innen müssen] in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen. Eine solche Zielsetzung schließt in sehr starkem Maße die Betonung operationaler Fähigkeiten ein, was eine logische Konsequenz aus den beiden vorgenannten Prinzipien ist. Der in diesem Zusammenhang gelegentlich – etwa gegen Herman Giesecke und Rolf Schmiederer – erhobene Vorwurf einer „Rückkehr zur Formalität“, um die eigenen Inhalte nicht korrigieren zu müssen, trifft insofern nicht, als es hier nicht um die Suche nach einem Maximal-, sondern nach einem Minimalkonsens geht.


Quellen und Querverweise

  • Wehling, Hans Georg (1977): Konsens à la Beutelsbach? Nachlese zu einem Expertengespräch. In: Siegfried Schiele / Herbert Schneider (Hrsg.): Das Konsensproblem in der politischen Bildung. Stuttgart, S. 173 - 184, hier S. 179f.
  • Widmaier, Benedikt/Zorn, Peter (2016): Brauchen wir den Beutelsbacher Konsens? Eine Debatte der politischen Bildung. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.